Make or Buy? Ein Blick auf die globale Entwicklung von Rechenzentren
Die Technologielandschaft verändert sich heute am laufenden Band. Das stellt unternehmenseigene Rechenzentren immer wieder vor die Herausforderung, genügend Platz, Strom und Kühlung bereitzustellen. Wenn Unternehmen wachsen und skalieren, ist es fast schon eine ausgemachte Sache, dass sie mehr Rechenzentrumskapazität benötigen werden. In den unterschiedlichsten Branchen – vom Gesundheitswesen über Finanzdienstleistungen bis hin zum Einzelhandel und allem, was dazwischen liegt – häufen sich große Datenmengen an. Und in allen Branchen werden Anwendungen entwickelt, die eine hohe Rechenleistung erfordern.
Doch nicht alle Workloads sind für die Cloud geeignet, so dass eine Entscheidung ansteht. Soll ein neues hauseigenes Rechenzentrum (“Make”) entstehen oder Platz in einer Colocation-Einrichtung (“Buy”) zugekauft werden? Um eine Entscheidung treffen zu können, müssen Unternehmen die aktuellen und künftigen Anforderungen an die Infrastruktur bewerten. Sind diese variabel, könnte die Cloud eine attraktive Option sein. Gibt es dagegen einen Bedarf an festem oder stetigem Wachstum oder wird aus anderen Gründen eigene Hardware benötigt, ist der Bau oder die Miete eines Rechenzentrums eine Überlegung wert.
Vor- und Nachteile von Make or Buy
Natürlich gibt es bei allen Ansätzen verschiedene Vor- und Nachteile: Beim Bau haben Unternehmen die vollständige Kontrolle über alle Aspekte des Rechenzentrums. Beim Kauf erhalten sie zwar viele der Vorteile eines Rechenzentrums, müssen jedoch keine massiven Ressourcen-Investitionen schultern. Diese sind für den Bau eines eigenen RZs erforderlich. Heute geht die Tendenz dahin, das Rechenzentrum ganz oder teilweise auszulagern, um die Ressourcen auf das Kerngeschäft zu konzentrieren. Infolgedessen ist der Markt für Rechenzentren exponentiell gewachsen.
Alle aktuellen Markttrends deuten darauf hin, dass sich dieses Wachstum in rasantem Tempo fortsetzt. Die Verlagerung in die Cloud, die fortschreitende Virtualisierung oder das Internet of Things. Bisher war der Bau eines eigenen Rechenzentrums für größere Unternehmen die offensichtliche Wahl. Der Grund war, dass dies aus finanzieller Sicht Sinn ergab und oft die einzige Option war. Im Laufe der Jahre nahm jedoch die Größenordnung zu, in der ein Rechenzentrum gebaut werden muss, um finanziell tragfähig zu sein.
Jüngste unabhängige Branchenberichte zeigen, dass dies nur bei einem Kapazitätsbedarf von mehr als ca. 15MW machbar ist. Man muss also schon eine riesige Anlage bauen, um ein Rechenzentrum finanziell effizient zu machen. Die Größenordnung hat sich in den letzten 15 Jahren mehr als verfünffacht. Auch in den nächsten zehn Jahren und darüber hinaus wird diese vermutlich weiter steigen.
Die “Make or Buy”-Entscheidung im Detail
Werfen wir jetzt einen genaueren Blick auf den „Make-or-Buy“-Ansatz und beleuchten die Vor- und Nachteile im einzelnen detaillierter.
Standort
Ein wichtiger Faktor bei der Investition in eine eigene Anlage ist die damit einhergehende Bindung an einen Standort. Einmal beschlossen, lässt sich die Standortbindung nicht ohne erhebliche Kosten aufheben. Wird es nötig, den Standort aufgrund von Markt- oder geografischen Veränderungen zu verlagern, ist dies bei einer selbstgebauten Anlage sehr schwierig. Lagern Sie jedoch an einen Colocation-Anbieter aus, verfügt dieser oft über mehrere Rechenzentren. Colocation bietet Ihnen daher weitaus mehr Flexibilität, Ihre Kapazitäten an einen anderen Standort zu verlegen – entweder durch physische oder virtuelle Verlagerung der Server.
Bei der Standortfrage sollten auch die Kosten bei einem Colocation-Provider betrachtet werden. Denn durch die neue CO2-Auflage (seit Januar 2021) und den Ausstieg Deutschlands aus der Atomenergie wird das Betreiben der leistungsfähigen Rechenzentren mit der Zeit immer teurer. Durch diese Änderungen sind sogar einige Rechenzentrumsprojekte auf “on-hold” gestellt worden.
Verfügbarkeit von Rechenzentrumsfläche
Global betrachtet verzeichnen einige Märkte einen Mangel an verfügbarer Colocation-Fläche. In diesen Fällen kann ein Unternehmen gezwungen sein zu bauen. In den frühen 2000er Jahren war dies ein wahrscheinliches Szenario. Gut zwanzig Jahre später gibt es im Allgemeinen jedoch ein gutes Angebot an Rechenzentrumsflächen weltweit. Die meisten RZ-Anbieter verfügen indes über Standorte in mehreren Ländern und auf mehreren Kontinenten. Heute bauen Datacenter-Betreiber Hyper-Scale-Rechenzentren, die so groß sind, dass viele Kunden ihr Equipment dort unterbringen und zudem von Skaleneffekten innerhalb einer Colocation-Umgebung profitieren können.
Auf dem Londoner Markt beispielsweise war die Verfügbarkeit von Rechenzentrumsflächen in den letzten Jahren gut, wobei jedes Jahr mehr neue Flächen gebaut werden. Mit einem Anteil von rund 80 Prozent an der gesamten Rechenzentrumskapazität in Großbritannien verfügt London über ein Gesamtangebot an Rechenzentren von über 420 MW. Dies entspricht fast der Hälfte des Gesamtangebots in den wichtigsten europäischen Märkten, zu denen auch Frankfurt, Amsterdam und Paris gehören.
Dies sorgt für einen gesunden Wettbewerb auf dem Markt, der es Unternehmen ermöglicht, qualitativ hochwertige Einrichtungen zu wettbewerbsfähigen Preisen zu finden. Darüber hinaus können Unternehmen ihre Server in kürzester Zeit an fertig errichteten Colocation-Standorten bereitstellen, was oft geschäftskritisch ist. Bei Bedarf sind zusätzliche Kapazitäten verfügbar, ohne dass Kapazitäten verschwendet werden oder Anbauten erforderlich sind.
Maßgeschneiderte Spezifikation
Maßgeblicher Vorteil des Besitzes eines Rechenzentrums ist die Kontrolle. Diese schließt Zugang, Wartung und zukünftige Verbesserungen ein. Gleichzeitig kann dies jedoch auch zum Nachteil gereichen: Erneuerungen an der Hardware sind alle drei bis fünf Jahre erforderlich. Zudem gehört der Betrieb eines Rechenzentrums möglicherweise nicht zu den primären Kompetenzen der IT-Abteilung, was zusätzliche Mitarbeiter oder OpEx erfordert.
Sollte sich ein Unternehmen dafür entscheiden, sein eigenes Rechenzentrum zu bauen, hat es den Vorteil, dass es dies nach seinen genauen Spezifikationen und möglicherweise an seinem idealen Standort tun kann. Auf den ersten Blick ein klarer Vorteil gegenüber dem Kauf von Colocation-Flächen eines Drittanbieters. In Deutschland gibt es dafür viele Planer (dc-ce, TTSP) und auch Contractors (Mercury, SPIE), die ihre Kunden beim Bau unterstützen.
Allerdings bauen viele Rechenzentrumsanbieter ihre Rechenzentren mittlerweile modular auf, sodass die meisten sich an hochoptimierten Standorten befinden. Der modulare Ansatz ermöglicht es den Kunden, die Design-Spezifikation und Ausstattung ihrer angekauften Flächen mitzugestalten. Dieses hohe Maß an Kundeneinbezug ermöglicht die flexible Anpassung eines gekauften Colocation-Rechenzentrums. Diese bewegt sich fast auf dem Niveau des Baus einer eigenen Umgebung, bietet daneben aber noch den Vorteil, die Expertise des Betreibers zu nutzen.
Finanzielle Flexibilität
Finanzielle Flexibilität ist ein äußerst wichtiger Aspekt bei der Einrichtung eines Rechenzentrums. Unabhängig davon, ob es sich um eine unternehmensinterne Investition handelt oder ob an einen Drittanbieter ausgelagert wird. Die Einrichtung von Rechenzentren ist sehr kapitalintensiv und erfordert hohe Investitionen. Aber es gibt noch andere, oft übersehene Kosten, die sich schnell summieren: etwa für Branderkennung und -bekämpfung sowie für das Personal der Einrichtung. Darüber hinaus müssen beim Ausbau der Anlage oft Vorkehrungen für ein Wachstum getroffen werden, was die Anlage kurzfristig ineffizient macht. Manchmal führt dies dazu, dass Geld in Flächen investiert wird, die vielleicht nie genutzt werden.
Kosten und Aufwand berücksichtigen
Auch über die reinen Kosten hinaus muss der Aufwand für den täglichen Betrieb eines hochverfügbaren Rechenzentrums berücksichtigt werden. Ist das hauseigene Team erfahren und qualifiziert, um die Infrastruktur mindestens 99 Prozent des Jahres verfügbar zu halten? Ist jemand rund um die Uhr verfügbar, um Notfälle zu bewältigen? Wie sieht es mit der Wartung und Aktualisierung der Anlage und Ausrüstung aus? Die Wartungskosten können sich jährlich auf bis zu fünf Prozent der ursprünglichen Gebäudekosten summieren.
Selbst wenn entschieden wird, dass sich der Bau eines Rechenzentrums in einem akzeptablen Zeitrahmen amortisieren wird, kann Colocation immer noch von Vorteil sein. Ein auf Design und Betrieb von Rechenzentren spezialisiertes Unternehmen betreibt das IT-Equipment mit höherer Stromverbrauchseffektivität (PUE) und in einer besser kontrollierten Umgebung effizienter. Das verlängert die Lebensdauer der Hardware. Beim Kauf beziehungsweise Mieten von Colocation-Flächen bieten die meisten Anbieter ihren Kunden flexible Verträge mit Bedingungen, die es ermöglichen:
- die vertraglich vereinbarte Fläche je nach den tatsächlichen Anforderungen im Laufe der Zeit zu verkleinern oder zu vergrößern;
- die Vertragslaufzeit mit Anlaufzeiten für die Installation festzulegen. Die volle Miete wird so erst gezahlt, wenn alles erfolgreich installiert ist;
- die verbrauchte Strommenge zu bestimmen, sodass nur der verbrauchte Strom nach einem “Pay-as-you-go”-Plan abgerechnet wird. Dadurch wird das Budget in Zeiten geringer oder hoher Auslastung maximiert.
All diese Punkte tragen dazu bei, ein besser vorhersehbares Ausgabenmodell mit planbaren Kosten zu entwickeln.
Sicherheit des Rechenzentrums
Vor fünf bis zehn Jahren hätte man sicherlich argumentieren können, dass ein eigenes Rechenzentrum sicherer ist. Jedoch haben sich die physische Sicherheit sowie die Cloud- und Cyber-Security so weit entwickelt, dass Colocation-Provider in der Regel viel bessere Ressourcen haben, um in die Sicherheit zu investieren als ein einzelnes Unternehmen.
Technologische Landschaft
Die IT-Branche ist einer der sich am schnellsten entwickelnden Sektoren der Welt. Da der Colocation-Markt für Rechenzentren die Grundlage für diese Wachstumsbranche bildet, muss er mit diesem Wachstum Schritt halten. Deshalb investieren die Anbieter von Rechenzentren enorme Ressourcen in Forschung und Entwicklung, um sicherzustellen, dass ihre Colocation-Einrichtungen auf höchstem Effizienzniveau gebaut sind und von erfahrenen und zertifizierten Fachkräften betrieben werden. Dieser Vorteil wird an die Kunden weitergegeben, so dass sie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren Konkurrenten erhalten.
Unternehmen, die sich für den Kauf von ausgelagertem Colocation-Raum entscheiden, können somit sicher sein, dass die Fläche und Energie, die sie heute kaufen, eine zukunftssichere Technologie und Effizienz für mehrere Jahre in die Zukunft bieten. Dies erspart Kopfzerbrechen und Kosten für große Upgrades des Rechenzentrums, welche jedes Unternehmen regelmäßig an den eigenen Einrichtungen vornehmen müsste, wenn es nicht riskieren will, im Laufe der Jahre zunehmend ineffizient zu werden.
Cloud-Lösungen
Immer mehr Unternehmen setzen auf ein hybrides Cloud-Modell für ihre IT-Infrastruktur, und die einfache Erreichbarkeit von Cloud-Diensten ist von entscheidender Bedeutung. Durch die Entscheidung für die Colocation im Rechenzentrum eines Drittanbieters befinden sich die Kunden in einer Umgebung mit einer Fülle anderer Kunden. Viele dieser Kunden bieten Cloud-Plattformen und -Anwendungen an. So entsteht ein natürliches Ökosystem, in dem Kunden von den Services profitieren können, die andere Kunden bereitstellen.
Cloud-Lösungen von Anbietern wie Google Cloud, Microsoft Azure oder AWS können in einem Premium-Rechenzentrum, das eine Cloud-Zugangslösung bereitstellt, nur einen Cross-Connect entfernt sein. Dieser einfache Zugang zu öffentlichen Cloud-Plattformen sorgt für eine sehr zuverlässige Umgebung.
Um dies zu unterstützen, verfügen die meisten Rechenzentren über eine gute Auswahl an Carriern innerhalb ihrer Einrichtungen, die extrem dichte, hochwertige Glasfasernetze bereitgestellt haben. Das bietet Kunden eine große Auswahl bei der Konnektivität zu Cloud-Plattformen und darüber hinaus. Diese Verbindungen sind oft zu 100 Prozent zuverlässig, da ausfallsichere Optionen auf mögliche Ausfälle ausgerichtet werden können. Für ein selbst gebautes Rechenzentrum eines Unternehmens wird diese Option in der Regel als zu kostspielig erachtet, weshalb sie oft nur mit einem oder zwei Dienstanbietern zusammenarbeiten, was ihre Zuverlässigkeit einschränkt und das Risiko im Falle eines Problems potenziell erhöht.
Fazit: Was nun, Make or Buy?
Die Debatte über “Make or Buy” wird seit Jahren intensiv geführt. Der Aufbau eines eigenen Rechenzentrums ist ressourcenintensiv und erfordert eine gehörige Portion Erfahrung. Und das ist noch nicht alles: Ist ein Rechenzentrum erst einmal gebaut, muss es auch verwaltet, aktualisiert und administriert werden – all das kann während seiner gesamten Lebensdauer unglaublich kompliziert, kosten- und zeitintensiv sein.
Die “Buy”-Option bietet den besten Schutz vor der zunehmenden Komplexität und den Kosten und Risiken eines eigenen Rechenzentrums. Überdies eliminiert sie die Notwendigkeit, sich über Betriebszeit, veraltete Technologie und zukünftige Anforderungen Gedanken zu machen. „Buy“ bedeutet auch, dass wertvolles Kapital nicht gebunden wird und stattdessen in Kerngeschäftsinitiativen investiert werden kann. Outsourcing ist nicht nur kostengünstiger, sondern auch skalierbarer und flexibler. Es bietet zudem fast alle Vorteile eines hauseigenen Rechenzentrums, aber ohne die Ressourcen zu beanspruchen.
Immer mehr Unternehmen haben die Entscheidung getroffen, von ihren alten und oft teuren und ineffizienten Einrichtungen in qualitativ hochwertige, von Dritten betriebene Rechenzentren umzuziehen. Sie wollen keine eigenen Rechenzentren mehr bauen und viele, die dies getan haben, suchen nach Optionen, um auf eine Colocation-/Cloud-Lösung umzusteigen und die erheblichen Immobilienkosten aus ihrem Unternehmen zu entfernen. Die Ausarbeitung zeigt, dass die Gesamtkosten für den Besitz eines Rechenzentrums die wahrgenommenen Vorteile bei weitem überwiegen. Es sieht also danach aus, als ob das Argument zugunsten des “Buy” ein für alle Mal die Oberhand gewonnen hat.